Leseprobe

 

Karsten Porezag

Des
Bergmanns Geleucht

III. Band,

Wetterlampen

Geschichte der „Flamm-Sicherheitslampen“
im historischen Kampf gegen die Schlagwetter-Explosionen,
und ihre Entwicklung

 

Vollständig überarbeitete und deutlich erweiterte Auflage des Manuskriptes Porezag/Börkel von 1983

 

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000 A

 

 

Präambel

„Vor Beschädigungen von den „Schlagenden Wettern“ haben sich fahrende Personen zuweilen dadurch verwahret, dass sie sich, mit dem Gesichte gegen die Sohle gewendet, niedergelegt, und in solcher Stellung die Schläge abgewartet haben!“

Johann Gottlieb Kern, „Churfürstlich Sächsischer Edelstein-Inspector“, 1769.

 

"Die Erde erzittert,
und dumpfer Donner rollt durch die Baue –
die sengende Flamme hat im Augenblick
alles Leben, das sie erreichte, auch vernichtet.
Nun ziehen unatembare Gase, die Nachschwaden,
durch die Grube.“

Emil Treptow, Bergbauwissenschaftler,
Professor an der Bergakademie zu Freiberg in Sachsen, über "Die Schlagwetter".

 

000 C

„Die Schlagwetter-Explosion“. Zeitgenössische Darstellung in einem französischen Journal.

 

 

000 D

Feuer im Schacht!!“ Das Geschehen einer Tragödie im 19. Jahrhundert: Junge Mütter, Kinder und Alte hetzen in Panik zu „Ihrer“ Steinkohlenzeche, um Näheres über die eben stattgefundene Grubenexplosion zu erfahren. Den jungen Frauen steht das Grauen ins Gesicht geschrieben, wohl wissend, dass die meisten von ihnen in diesen Minuten ihren Mann und Haupternährer verloren haben und damit zu unversorgten Witwen und Waisen geworden sind. Ganze Landstriche sind daraufhin verödet.

 

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"Im Sommer 1805 hatten wir auf Zeche Hebburn eine Explosion, bei welcher 32 Kumpel getötet wurden; diese hinterließen 105 mittellose Frauen und Kinder!
Fast zur gleichen Zeit explodierte die Zeche Oxclose, wobei, soviel ich weiß, 38 Bergleute umkamen; diese hinterließen 18 Witwen und 70 unversorgte Kinder.
Bald nach dieser furchtbaren Katastrophe kamen auf Zeche Killingworth 10 Mann bei einer Explosion um, und fast zur gleichen Zeit wurden bei einer Explosion auf Zeche Fenton Park 7 Bergleute direkt getötet, und zahlreiche Männer schwer verwundet.
Am 25. Mai 1812 explodierte die Zeche Felling, wobei 92 Leute getötet wurden, welche der allgemeinen Fürsorge 141 Witwen und 133 Kinder hinterließen!
Und jetzt, am 10. Oktober 1812, explodierte Zeche Harrington Mill, wobei wieder 23 Männer getötet und viele schwer verwundet und verbrannt wurden!
Damit wurden, in der kurzen Zeit von sieben Jahren, nahezu 200 Bergleute ihres Lebens beraubt, neben einer großen Zahl von Verwundeten. Und nahezu 700 Frauen und Kinder wurden hinterlassen im Zustand größter Armut!“

Dr. William Reid Clanny am Donnerstag, dem 20. Mai 1813 vor der Royal Society in London bei der Vorstellung seiner neuen „Sicherheitslampe“ mit der Abhandlung: „On the means of procuring a steady light in coal mines without danger of explosion" („Über die Mittel, in Kohlenzechen ein dauerhaftes Licht zu erhalten ohne die Gefahr von Explosionen“).

 

Diese beispielhaft ausgewählten historischen Berichte mögen Eines deutlich machen: Der Kohlenbergmann früherer Zeiten stieg morgens mit einer offenen Grubenlampe in den Schacht, wohl wissend, dass damit die Wahrscheinlichkeit einer Schlagwetterexplosion sehr hoch, und seine Überlebenschancen gering waren – und, dass in diesem Falle seine Hinterbliebenen – Frau, Kinder und die Alten – über Nacht völlig unversorgt zurück blieben!

Die Erfindung und Weiterentwicklung der Flamm-Sicherheitslampe für den Steinkohlenbergbau zu einer gebrauchsfähigen, schlagwettersicheren Grubenlampe fand am Beginn des 19. Jahrhunderts allein in England statt. Grund dafür, dass der englische Steinkohlenbergbau zu dem Zeitpunkt bereits große Teufen erreicht hatte – ein Zustand, der wiederum durch die Erfindung der atmosphärischen Dampfmaschine in Form der Dampfpumpe zur Wasserhaltung der tiefen Bergwerksschächte möglich geworden war. Und weil man dort in stark Methangas-führende Bereiche vorgestoßen war und so die Schlagwetterexplosionen durch offene Grubenlampen immer zahlreicher wurden, bestand ein Zwang zur Entwicklung eines schlagwettersicheren Grubengeleuchts – der „Sicherheitslampe“. Insgesamt gesehen lautet also die zeitliche und inhaltliche Reihenfolge: Erfindung der Dampfmaschine-> Industrielle Revolution -> tiefe Bergwerksschächte ->Flamm-Sicherheitslampe.

 

Im Jahre 1818, sechzehn Jahre nach Alexander von Humboldt ,acht Jahre nach Dr. William Reid Clanny, und drei Jahre nach George Stephenson und Sir Humphrey Davy brachte es der deutsche Autor und Verleger Dr. Karsten auf den Punkt:
„Seit der Einführung der Sicherungslampen hört man in England nicht mehr von Unglücksfällen, statt daß sonst mehrere Hunderte von Bergleuten jährlich ein Raub des Todes durch schlagende Wetter geworden sind. …Die Wohlthat dieser Erfindung muß zwar in England besonders fühlbar seyn, weil der dortige Steinkohlenbergbau, wegen seines Alters und wegen örtlicher Umstände am mehrsten mit schlagenden Wettern zu kämpfen hat; allein auch auf dem Kontinent wird man ihre Wichtigkeit, mit der zunehmenden Ausdehnung des Steinkohlenbergbaus und je mehr die Steinkohlen in oberen Teufen abgebaut seyn werden, mehr und mehr anerkennen und den Erfinder als einen der größten Wohlthäter des menschlichen Geschlechts seegnend verehren…“

Diese Euphorie wich hingegen sehr bald der Ernüchterung. Auch in den folgenden Jahrhunderten sollte es immer wieder verheerende Schlagwetterexplosionen geben. Die Gründe dazu sollen hier später ausführlich dargelegt werden.

Später gab es in England aber keine weiteren bedeutenden Erfindungen mehr zur Sicherheitslampe – im Gegenteil: Die Entwicklung von den ersten, einfachen englischen Flamm-Sicherheitslampen zur technisch perfekten, weltweit benutzten „Wetterlampe“ für den Kohlenbergbau erfolgte seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts auf dem Kontinent. Eine Vorreiterrolle spielte dabei Deutschland mit Wolf’s „Benzin-Wetterlampe mit Innen-Zündung und Magnetverschluß“ von 1884.

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Diese Wetterlampe wurde nach der schweren Schlagwetterexplosion vom 12. November 1908 auf Zeche „Radbrod“ in Bockum-Höwel (350 Todesopfer) aufgefunden.

 

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Vorwort Karsten Porezag

Es scheint wohl nicht vermessen zu sagen, dass 1980 und 1982 meine beiden Bücher über „Des Bergmanns offenes Geleucht“ (I. Band: Unschlitt-, Öl- und Kerzenlampen, Essen. Verlag Glückauf 1980, zweite Auflage 1982, und II. Band: Karbidlampen, ebenda 1982, zweite Auflage 1988) seinerzeit das Interesse am Thema „Tragbare Grubenbeleuchtung“ deutlich verstärkt haben.

Parallel dazu hatte ich gemeinsam mit Werner Börkel jahrelang einen sehr umfangreichen III. Band mit dem Thema „Wetterlampen (Flamm-Sicherheitslampen)“ in dieser Reihe erarbeitet. Das 557 Seiten starke Manuskript mit 803 Abbildungen wurde jedoch 1983 vom Verlag Glückauf aus Kostengründen zurückgestellt, und blieb bis heute unbenutzt.

In diesem Verlag erschien 1983 parallel dazu als IV. Band dieser Reihe der „Bilderatlas vom Kienspanhalter bis zur elektrischen Grubenlampe“ von Werner Börkel und Horst Woeckner, der 1987 ebenfalls eine zweite Auflage erlebte.

Heute, 36 Jahre später, habe ich mich nun entschlossen, das alte Manuskript des III. Bandes „Wetterlampen (Flamm-Sicherheitslampen)“, im Versuch einer Art „Faksimile-Ausgabe“ doch noch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen – auch und besonders in der damaligen Erkenntnis, dass die Geschichte der Wetterlampe weitaus umfangreicher, wichtiger und vielschichtiger ist als die des offenen Bergmannsgeleuchtes: Die Flamm-Sicherheitslampe hat den Kohlenkumpel zwar nicht vollständig von der Geißel der „Schlagenden Wetter“ befreien können, diese aber drastisch reduziert.

Im Laufe der Arbeiten stellte sich hingegen heraus, dass die heutigen digitalen Informationen zu diesem Thema nach 36 Jahren bedeutend sind. Ich habe mich daher entschlossen, diese nach meinen (zeitlichen) Möglichkeiten so weit als möglich mit zu berücksichtigen, und den Inhalt des Buches dahingehend kritisch überarbeitet, und in einigen Bereichen neu geordnet.

Wegen des sehr umfangreichen und vielschichtigen Manuskriptes teile ich diese Arbeit nunmehr in zwei Teile: Zuerst den hier vorliegenden I. Teil vom III. Band, mit den wichtigsten historischen Berichten und grundlegenden physikalisch-technischen und chemischen Erläuterungen, den wichtigsten Grubenlampenherstellern und ihren Modellen und einigen Hundert Abbildungen – also allem, was den normal interessierten Leser anspricht, der weder Grubenlampen-Sammler ist, noch beruflich mit diesen Themen zu tun hat.

Im Anschluss daran soll später eventuell der II. Teil dieses III. Bandes erscheinen mit umfangreichen Berichten zu technischen Entwicklungen und fundiertem Spezialwissen zu den deutschen Hersteller-Firmen, zur Unzahl der Wetterlampen-Modelle und ihren Einzelteilen.

Obwohl der Kenntnisstand des originalen Manuskriptes hinsichtlich der Geschichtsforschung nicht dem Heutigen entspricht – für damalige Verhältnisse hingegen herausragend war -, ist doch das in dieser umfangreichen Arbeit angehäufte grundlegende Fachwissen so bedeutsam und vielfältig, dass es gemeinsam mit den Ergebnissen der jahrelangen Forschungsarbeit zweier Autoren nicht verlorengehen soll.

In welcher Form sollte eine Arbeit mit diesen Eigenschaften aber publiziert werden?

1) Das Manuskript für den III. Band in - aus heutiger Sicht sehr schlechten - teilweise noch Nass-Kopien und inzwischen vielen verblichenen Bildvorlagen lag seit 1983 in jeweils einem Exemplar bei Werner Börkel und mir. Der zusammen geklebte (!) Umbruch befand sich beim Verlag, die Bildvorlagen bei Herrn Börkel.

Als der Verlag Glückauf Jahrzehnte später aufgelöst wurde, gaben umsichtige Liquidatoren den Umbruch zum Deutschen Bergbaumuseum in Bochum. So war es 2019 erfreulicherweise möglich, das Gesamtmaterial aus den zwei anderen Quellen wieder bei mir zu zusammen zu führen. Herr Börkel stellte mir seine/unsere Bildvorlagen zur Verfügung und ließ mir zudem freie Hand bei der Publikation unserer damaligen Arbeit.

Das vor fast 40 Jahren erstellte Bildmaterial besteht (leider) fast ausschließlich aus Schwarz-Weiß-Fotos, da 1983 ein Buch mit mehreren Hundert Farbfotos a priori nicht finanzierbar war. Hinzu kommt, dass die Reproduktionsmöglichkeiten zu der Zeit noch sehr beschränkt waren, und so die noch vorhandenen Originalvorlagen teilweise von minderer Qualität sind – aber heute nicht mehr neu beschafft werden konnten. Der Leser mag also nachsichtig sein bei der Wiedergabequalität vieler alter Fotos.

Dem Informationsziel tut dies aber keinerlei Abbruch.

2) Leider erwies sich die Hoffnung bald als trügerisch, ein modernes Computer-Leseprogramm würde die Original-Texte von den Kopien eins zu eins übertragen können: Zahllose Sätze, ja ganze Absätze erschienen in der Konvertierung unformatiert als Hyroglyphen mit unleserlichen Ziffern- und Zahlenkombinationen.

Die Gründe dafür liegen einerseits in der schwachen, unzureichenden Qualität der fast 40 Jahre alten, grauen (Nass-)Kopien, die mehrfach um- oder nachkopierte Seiten in verschiedener Schriftqualität enthalten.

Anfang der achtziger Jahre hatte ich die gesamten technisch-historisch komplizierten Texte monatelang auf einer Reise-Schreibmaschine eingetippt, und weder das bekannte „Tipp-Ex“ noch gar ein Text-Korrektursystem standen zur Verfügung. Die zahlreichen im Verlauf der Jahre angefallenen Änderungen und Ergänzungen mussten neu geschrieben, ausgeschnitten, auf den Originaltext aufgeklebt und immer wieder kopiert werden. Zusätzlich enthält das originale Typoskript viele handschriftliche Eintragungen. Das bedeutete, ich musste 2019 ca. ein Drittel des Manuskripts, weit über 100 Seiten, praktisch wieder neu schreiben.